Bundestagswahl 2017: Ein Kommentar

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Dieser Beitrag beinhaltet die Wahlanalyse der Redaktion des Trotzfunks, wie sie am Sonntag, den 1. Oktober, in der Livesendung auf RUM vorgestellt wurde. Ihr schließt sich ein „naiver“ Vorschlag an, was nun zu tun sei. Die schriftliche Version erfuhr eine leichte Überarbeitung gegenüber der am 1. Oktober vorgestellten.

Das Skript zum Beitrag findet sich hier:

Ja, liebe Hörerinnen und Hörer, da liegt ja ein besonders endgeiler Monat hinter uns. Während im Nahen und Mittleren Osten nach der absehbaren Niederlage des Islamischen Staates der Krieg um die Beute mit wechselnden Konstellationen tobt und damit bei diesem Weltkrieg in Miniaturform kein Ende abzusehen ist, nimmt die Koreakrise eine Dynamik an, die einen Kriegsausbruch wahrscheinlich macht. Diese viele Bundesbürgerinnen und Bundesbürger völlig zurecht beängstigende Perspektive wurde im Wahlkampf von keiner der etablierten Parteien zum Thema gemacht, auch von Der Linken nicht!

Ausgenommen natürlich, wenn es um eine der Folgen von Krieg geht, um Flüchtlinge. Das war, nicht zuletzt mit kräftiger Hilfe der deutschen Massenmedien, eingeschlossen die öffentlich-rechtlichen, Thema – und Wasser auf die Mühlen der AfD. Natürlich sind Flüchtlinge nur insoweit ein Thema, wie sie es nach Europa schaffen bzw. geschafft haben und hier vor allem nach Deutschland. Die Flüchtlinge zum Beispiel, die „unser“ islamistischer Verbündeter Saudi Arabien mit seinem brutalen Krieg im Jemen verursacht, sind von rechts bis links kein Thema. Sie schaffen es ja nicht aus der Hölle „zu uns“.

Dass „die Flüchtlinge“ Thema Nummer 1 dieses Wahlkampfes waren, ist den herrschenden Klassen dieses Landes wieder einmal famos gelungen. Himmelschreiende Polarisierung der Vermögensverhältnisse, ein Niedriglohnsektor, in dem über 20 Prozent der Werktätigen arbeiten, massive Umverteilung von oben nach unten, unsichere Arbeitsverhältnisse, zunehmender Arbeitsdruck, versteckte Massenarbeitslosigkeit, wachsende Armut, steigende Mietkosten, sinkende Renten, steigende Altersarmut, die wachsende Angst vor dem Morgen bei gleichzeitiger sozialer Diskriminierung? – allenfalls am Rande ein Thema in diesem Wahlkampf.

So wird ganz klassisch der potentielle Zorn derer da unten, von deren realen Lebensverhältnissen PolitikerInnen des gesamten politischen Spektrums nicht wirklich etwas wissen, umgeleitet weg von der Kritik an den bestehenden gesellschaftlichen, tatsächlichen Machtverhältnissen hin zu vermeintlichen Sündenböcken – dem „Wirtschaftsflüchtling“, dem „Muslim“, dem „Ausländer“, dem „Immigranten“ und ja, auch vom „Juden“ raunt es wieder in deutschen Landen. Bei der Kreierung eines solchen Sündenbocks leisteten die Massenmedien wiederum große Unterstützung.

In Wirklichkeit sind beide, der ausgebeutete Arbeitende hierzulande, oder schlimmer noch der nicht ausgebeutete, also arbeitslose, und der Flüchtling Opfer der kapitalistischen Konkurrenzverhältnisse. Nach außen führen diese zum Krieg um Rohstoffe, Absatzmärkte und strategischen Vorteilen gegenüber den Konkurrenten, nach innen zum größtmöglichen Lohndumping mit allen Mitteln. Nur erkennen sollen sie dies aus Sicht der herrschenden Klassen bitte nicht. Und es ist auch nicht leicht für sie, dies zu erkennen, zumal ohne jegliche klassenkämpferische Organisationen der Linken, denn auf den Arbeits- und Wohnungsmärkten stehen sich der schon länger Einheimische und der Immigrant in der Tat zunächst einmal objektiv als Konkurrenten gegenüber. Schlagen sie sich im Namen der „Artenreinheit“, Gottes und Allahs oder entlang irgendwelcher Herkunftsidentitäten anstatt sich zu verbünden, spielen sie dem Kapital in die Karten.

Im Zentrum der Kritik von rechts bis links stand Kanzlerin Angela Merkel, weil sie 2015 unkontrolliert und unvermittelt „die Flüchtlinge“ ins Land gelassen habe. Warum sie das tat, darüber gibt es großes Rätselraten, denn bislang war Frau Merkel nicht damit aufgefallen, von großen humanitären Gefühlsregungen geleitet zu sein. Als ihr die politischen Folgen für sich und ihrer Partei klar wurden, suchten CDU und CSU das Ruder herumzureißen und „die rechte Flanke zu schließen“. Seehofer und de Maiziere überboten sich in rassistischen Sprüchen und es wurde abgeschoben was eben ging, sogar nach Afghanistan. Der Wahlkampf selbst wurde möglichst unpolitisch auf Angela Merkel zugeschnitten, darauf setzend, dass die Mittelklassen Kontinuität wünschten.

Doch es war zu spät. Trotz eines endlangweiligen Wahlkampfs stieg die Wahlbeteiligung um 4,9 Punkte auf 76,2 %. CDU/CSU und die mit ihr im Boot sitzende SPD wurden krachend abgestraft. CDU/CSU verloren 8,6 Prozent und kamen damit auf nur noch 33 Prozent der Zweitstimmen. Die SPD brachte es fertig, ihr mieses Wahlergebnis von 2013 noch einmal zu toppen und rutschte auf 20,5 Prozent der Zweitstimmen ab, was einem Verlust von über 5 Prozent entspricht. Linke und Grüne blieben mit 9,2 Prozent bzw. 8,9 % der Stimmen relativ stabil gegenüber 2013. Der FDP gelang mit 10,7 Prozent ein glorreicher Wiedereinzug in das Parlament, das mit der AfD erstmals wieder eine faschistoide Partei in seinen Reihen sieht. Die AfD errang 94 Mandate von 709, was einem Stimmenanteil von 12,6 Prozent entspricht. Damit wurde sie drittstärkste Kraft in der deutschen Parteienlandschaft.

Diese Wahlen brachten also einen fulminanten Rechtsrutsch. Was die AfD anbetrifft, muss dieser nicht das Ende der Fahnenstange sein. Immerhin gelang ihr ihr Wahlerfolg in Zeiten eines Wirtschaftsbooms, wenn auch eines sozial prekären. Die NSDAP brauchte dafür im September 1930 eine ein Jahr zuvor ausgebrochene Weltwirtschaftskrise.

Nimmt mensch die Wahlergebnisse von AfD und FDP zusammen, summieren sich diese auf 23,3 Prozent Stimmenanteile. Das sind 23,3 Prozent eines noch einmal verschärften Marktradikalismus. Übrigens fischte auch die FDP, Christian Lindner also, in Bezug auf die Flüchtlinge in den braunen Gewässern, bei einem Interview mit der Bild-Zeitung so sehr, dass sogar diese erstaunt fragte: „Herr Lindner, woher kommt Ihre Härte?“

Im Folgenden wollen wir lauschen, wie denn die Vorturner der Partei Die Linke auf ein Wahlergebnis reagierten, bei dem sie von der AfD als drittstärkste Kraft abgelöst wurden und um 3,4 Prozentpunkte hinter der faschistoiden Partei lagen. Wir hören im Folgenden den Auftritt der Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger am Wahlabend auf der Wahlparty im Festsaal Kreuzberg in Berlin in voller Länge, damit sich jede und jeder selbst ein Bild machen kann.

Ja, supi, oder zumindest fast alles supi. Die Linke kann also stolz sein auf ihr Wahlergebnis, denn es ist ihr zweitbestes, dass sie je eingefahrenen hat – ähm? – von den drei bisherigen Bundestagswahlen in der Geschichte der Partei Die Linke. 2009 erzielte sie 11,9 % der Zweitstimmen, 2013 8,6 % und bei diesen 9,2 Prozent, also ein leichtes Plus von 0,6 Prozent. Als Die Linke bei der Bundestagswahl 2013 von 11,9 % auf 8,6 % absackte, war auch alles supi, weil man drittstärkste Kraft geworden sei. Diesen Umstand, dass man das heute nicht mehr ist und an wen man das abgegeben hat, erwähnt man, wie gehört, heute dagegen lieber nicht. Stattdessen pumpt man die 0, eppes % Stimmenzuwächse auf, bis die Blase platzt.

Diese Reaktion der Linken mag zeigen, was für eine Panik man zwischendurch vor dieser Wahl geschoben haben muss, als sich R2G im Wahlkampf als das entpuppte, was es von vornherein war: Politischer Schwachsinn. Wessen politischer Erfüllungsgehilfe die SPD nach wie vor ist, hat sie auch in dieser Legislaturperiode eindrucksvoll unter Beweis gestellt, vom Atommülldeal und Autobahnprivatisierung bis zur Rentenpolitik und der Schaffung von Unterlaufungsmöglichkeiten bei den Tarifverträgen. Und die olivgrünen Spitzenkandidierenden der Grünen erzählten kaum gewählt in den Massenmedien, man hätte bei dem Überfall auf Libyen 2011 mittun müssen wegen der transatlantischen Solidarität. Da loben wir uns den Westerwelle, Gott habe ihn selig.
Wie mensch mit diesen neoliberalen und militaristischen Truppen ein fortschrittliches politisches Bündnis hätte schmieden können, wissen die Strategen der Linken und der liebe Gott allein!

Ansonsten war Katja Kipping, vielleicht ja schon leicht beschwipst nach einem Gläschen Schampus, das frau sich nach einem so tollen Wahlerfolg auch wirklich gönnen darf, wie gerade gehört in schwerer Märchenerzählstimmung. Die Linke hätte also soziale Themen wie die Pflege im Wahlkampf zum Thema gemacht. So ist sie, die Partei Die Linke, andere machen die Kernearbeit auf der Straße und Die Linke setzt sich drauf und macht es ganz unverdient und schamlos zu ihrem Erfolg. In Marburg etwa haben die Pflegeschülerinnen und Pflegeschüler der AWO den Pflegenotstand zum Thema gemacht, auch wenn die Linke-Kandidatin Elisabeth Kula in der betreffenden Podiumsdiskussion gewiss eine gute Figur gemacht hat. Und bundesweit waren es die Krankenhausbeschäftigten mit der Gewerkschaft ver.di, die zum Ende des Wahlkampfs mit Streiks und Demonstrationen gegen den Pflegenotstand in den deutschen Krankenhäusern protestierten und diesen damit zum Thema machten. Die Partei Die Linke dagegen ist sowohl kampagnenunwillig als auch kampagnenunfähig.

Die Partei Die Linke verfügt gewiss über ein gutes, durchdachtes Wahlprogramm. Darüberhinaus verfügt sie teilweise über ein in der Sache kompetentes politisches Personal. Aber sie verfügt über keinerlei politisches Konzept. Ein politisches Konzept stellt sich die Frage, wie die eigenen Ideen denn zur materiellen Kraft werden können? Und da hat die Partei Die Linke immer nur eine Antwort parat: Möglichst schnell und oft genug egal wie billig mit SPD und Grünen in das Koalitionsbett zu hüpfen. In Regierungsverantwortung tritt sie dann bedenkenlos gegen das eigene Programm: Ihr Umgang mit dem Berliner Bankenskandal war geradezu ein Präzedenzfall mit dem sechs Jahr später erfolgenden Umgang mit den Banken und Vermögenden in der Finanzkrise 2007/2008, den Streikenden der outgesourcten Charity Facility GmbH fiel sie in den Rücken, kommunales Wohneigentum wurde in großem Stil verhökert und mit dem neurechten Vordenker Thilo Sarrazin lag man jahrelang im Koalitionsbett. In Thüringen, wo Die Linke den Ministerpräsidenten stellt, schiebt man Roma und Sinti in den Kosovo ab, nachdem Deutschland unter den Nazis an ihnen ein Genozid mit 500.000 Toten verübt hat und 1999 dann im Kosovokrieg unter Regierungsverantwortung von SPD und Grünen zum dritten Mal in einem Jahrhundert Jugoslawien angriff, damit also direkt verantwortlich für das soziale Elend im Kosovo ist wie auch für die dortigen Regierungen, die Roma und Sinti nachhaltig diskriminieren und sozial benachteiligen. Reparationszahlungen leistete Deutschland auch hier nicht, versteht sich. Während sie Roma und Sinti aber in den Kosovo abschob, forderte die thüringische Landesregierung schön im Scheinwerferlicht der Medien gleichzeitig, syrische Flüchtlinge aus Griechenland ins Land zu holen. Zartbesaitete müssen da auch schon mal kotzen.

Ein Kernbestandteil neoliberaler Politik ist der Abbau des öffentlichen Sektors. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik bescheinigt der Partei Die Linke in ihrem Memorandum 2017, dem in Regierungsverantwortung nicht nur nichts entgegenzusetzen, sondern teilweise noch zu verstärken: „Wo zunächst die PDS und dann die Linkspartei mit am Kabinettstisch saß respektive sitzt (Brandenburg seit 2009; Mecklenburg-Vorpommern 1998-2002; Berlin 2002-2011; Thüringen seit 2014), gingen und gehen davon keine Bremswirkungen aus; teilweise (Brandenburg, Berlin) wurde in der Vergangenheit sogar verstärkt Personal abgebaut.“ (Memorandum 2017, S. 175)

Einen schönen Einblick in ihr Politikverständnis gab die Partei Die Linke am 1. und 2. Juni dieses Jahres. Da ging es um die Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs und damit verbunden um die Autobahnprivatisierung und um die Installierung von sogenannten Öffentlich-Privaten Partnerschaften, kurz ÖPP, in das Grundgesetz, das allmählich gegenüber 1949 nicht mehr wiederzuerkennen ist. Gegen die Privatisierungen hielt Sarah Wagenknecht am 1. Juni im Bundestag eine fulminante Rede und die Partei Die Linke lehnte dieses Gesetzesvorhaben mit nicht weniger als 13 Grundgesetzänderungen und 19 Begleitgesetzen ab. Keine 24 Stunden später aber stimmte Die Linke im Bundesrat dann zu! Und zwar einstimmig, also alle drei Bundesländer, in denen sie Regierungsverantwortung ausübt, in Berlin, Brandenburg und Thüringen. Wie die Partei Die Linke trieben es übrigens auch die Grünen, insofern würde das also doch schon wieder zusammenpassen!

Und dann fragen Oskar Lafontaine und Sarah Wagenknecht mit unschuldig in den Himmel gerichtetem Blicke, wie es denn nur kommen könne, dass die Partei Die Linke als Teil des Establishments wahrgenommen werde? Ja, echt jetzt, wie denn nur? Schlimm, solche Undankbarkeit in dieser Welt!

Um es ganz klar zu sagen: Es ist bei aller Freude über den eigenen Joberhalt geradezu obszön, wie der Co-Parteivorsitzende Bernd Riexinger angesichts dieses desaströsen Wahlergebnisses mit seiner extremen Rechtsverschiebung davon zu faseln, man gehöre als die Partei Die Linke zu den Wahlgewinnern. Vielmehr gehört die gesamte Linke in Deutschland einschließlich der Partei Die Linke zu den klaren Wahlverlierern. Angesichts von 12,6 % der Zweitstimmen für die AfD, einem Gesamtanteil der marktradikalen Parteien von 90,8 Prozent der Sitze im nächsten Bundestag bei gleichzeitiger Stärkung ihrer äußersten Rechten, während Die Linke inmitten zunehmender Pauperisierung weiter Bevölkerungsteile und zunehmender Kriegsgefahr stagniert, gibt es aber mal gar nichts zu feiern, aber viel zum selbstkritisch Nachdenken und zwar für die gesamte Linke, nicht nur für die Partei dieses Namens. Wer das jetzt immer noch nicht begriffen hat, der lernt es auch nicht mehr!

Und um auch noch auf den Satz von Riexinger einzugehen: „Wir haben einen tollen Wahlkampf geführt.“ Das wissen wir nicht, es mag so sein, wir können das nicht beurteilen. Aber das Mindeste an politischem Anstand wäre doch gewesen, zuzugeben, dass das drohende Wahlergebnis der Rechten der AfD zur Wahlentscheidung vieler beitrug, in dieser Situation trotz allem aus politischer Vernunft Die Linke zu wählen. Wir kennen viele, die es so machten, wir wissen sogar von Parteimitgliedern, die im Sommer noch angesichts des Treibens ihrer Parteioberen Wahlkampf nur in homöopathischen Dosen treiben wollten und sich dann angesichts der Gefahr von Rechts voll reinhauten.

Ist aber nun darauf zu hoffen, dass die Partei Die Linke angesichts dieses Wahlergebnisses innehält und ihre bisherige Strategie kritisch überdenkt? Wir befürchten angesichts der bisher gezeigten Reaktionen eher nein. Wenn Riexinger wie eben gehört die sozialen Missstände in Deutschland als erste Ursache für den Erfolg der völkischen und nationalkonservativen Rechten ausmacht, ist ihm natürlich zuzustimmen. Wenn er als dafür politisch verantwortlich nur die ehemalige GroKo benennt und den entscheidenden Sozialkahlschlag der Agendapolitik von Rot-Grün unerwähnt lässt, dann weiß man schon, worauf gehofft wird, nämlich dass sich die SPD in der Opposition soweit nach links entwickelt, dass man mit ihr zusammen eine realistische Reformalternative anbieten kann. Einmal abgesehen davon, dass Die Linke dann ihr Alleinstellungsmerkmal, das kleinere Übel zu sein, verlieren würde – ist ein Linksschwenk der SPD mit den Personalien Schulz und Nahles realistisch zu erwarten? Doch wohl nicht. Und ein Jeremy Corbyn gibt es in der deutschen Sozialdemokratie weit und breit nicht!

So weh es tut, wollen wir uns nun im Folgenden näher mit den Bundestagswahlen vom 24. September befassen.

Die Partei Die Linke gründete sich 2007. Ihre Gründungsquellen waren in Westdeutschland die WASG und in Ostdeutschland die PDS. Die WASG war eine Abspaltung des linken Flügels von der SPD, als diese sich in eine aggressive neoliberale und bellizistische Partei transformierte. Mit ins Boot gingen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter vom linken Flügel der Gewerkschaften.
Die PDS war eine Nachfolgepartei der einstigen Staatspartei SED. Ihre Antwort auf die Niederlage des sogenannten real existierenden Sozialismus war eine rasche Sozialdemokratisierung, in Regierungsverantwortung wie bereits besprochen durchaus mit Zügen von New Labour.
Bei der Fusion mit der WASG war die PDS sowohl in Hinblick auf die Mitgliedschaft als auch auf die Wähler(innen)schaft mit Abstand der stärkere Part, auch wenn sich auf dem Ticket der WASG das politische Schwergewicht Oskar Lafontaine wieder in die Politik eingebracht hatte.
Die Wählerbasis der PDS lag auch zum Zeitpunkt der Fusion zur Partei Die Linke 2007 ganz eindeutig im Osten Deutschlands.

Dort setzte es bei den Bundestagswahlen dieses Jahres eine krachende Niederlage. Im Osten Deutschlands fiel die Partei Die Linke auf 17,8 Prozent der Stimmen zurück, während die AfD mit fast 22 Prozent der Zweitstimmen deutlich an ihr vorbeizog. Diesen massiven Verlust der Wählerbasis im Osten konnte sie mit Zugewinnen im Westen vor allem aus dem jungen, urbanen und akademischen Milieu kompensieren. Weiter gelangen der Partei Die Linke hier Stimmengewinne von der SPD. Dieser Zulauf im Westen hat sicher auch etwas zu tun mit dem Aufstieg der AfD und der zunehmenden Kriegsgefahr, die, obschon sich nicht niederschlagend in größeren Demonstrationen der Friedensbewegung, in weiten Teilen der bundesdeutschen Bevölkerung durchaus wahrgenommen wird. Insofern wird zu beobachten sein, ob die Partei Die Linke ihre Erfolge im Westen überhaupt stabilisieren kann.
Weiter wird sich zeigen, wie diese Strukturveränderungen der Wähler(innen)schaft der Partei Die Linke auf diese zurückwirken, hier vor allem die Stärkung der westdeutschen Landesverbände gegenüber den ostdeutschen sowie die zunehmende Rolle der jungen, urbanen und akademischen Mittelschichten sowohl in der Wählerschaft wie im Mitgliederzulauf dieser Partei.

Die AfD ist mit über 12 Prozent der Zweitstimmen drittstärkste Kraft im deutschen Parteienspektrum geworden und im Osten mit 21,9 Prozent die zweitstärkste hinter der CDU, weit vor der Partei Die Linke und der SPD. In Sachsen wurde die AfD mit 27 Prozent gar zur wählerstärksten Partei. In den letzten Monaten haben sich die Kräfteverhältnisse in der AfD eindeutig noch weiter nach rechts verschoben. Sichtbaren Ausdruck fand dies im Fraktionskampf innerhalb des national-konservativen Flügels, der an den Personen Gauland und Petry festzumachen ist. Petry wollte den faschistichen Höcke-Flügel, der in Thüringen mit 22,7 % der Zweitstimmen ein ganz starkes Ergebnis für seine Partei einfuhr, aus der Partei drängen, Gauland, um die realen Kräfteverhältnisse in seiner Partei wissend, stellte sich schützend vor ihm. Gauland selbst verstärkte seinerseits im Wahlkampf seine Rechtsrhetorik, in der er den Vernichtungsfeldzug der faschistischen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, in dem von Anfang an geplant war, Juden und Bolschewiki zu ermorden sowie die „slawische“ Bevölkerung zu versklaven, als etwa darstellte, worauf Deutsche stolz sein könnten, weil der deutsche Soldat sich dabei so tapfer angestellt habe. Das Ergebnis ist bekannt, Petry geht, Höcke bleibt. Sein Flügel hat in der künftigen Bundestagsfraktion erheblichen Einfluss, wie viele Petry aus der Partei mitzunehmen in der Lage ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch ungewiss.

Die AfD vermochte nach infratest dimap einen hohen Anteil ihrer Wähler/innen von 2013 zu behalten, einen nennenswerten Anteil verlor sie mit 270.000 nur an die Nichtwähler. Bei den Nichtwählern ist das Saldo aber mit 1.200.000 Wählern deutlich positiv für die AfD. 730.000 Stimmen flossen der AfD aus Parteien zu, die 2013 nicht die 5 % – Hürde übersprangen. Hinzu kamen 420.000 WählerInnen von der Partei Die Linke und 510.000 von der SPD. Mit 1 Million 40.000 Stimmen verlor die CDU am meisten an die AfD.

Dass es auch für die Partei Angela Merkels eine Niederlage bei der Bundestagswahl setzen würde, war klar. Die Deutlichkeit mag aber überraschend sein. Insgesamt verlor die Union 8,6 Prozentpunkte und fuhr mit 33 Prozent ihr zweitschlechtestes Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein. Regional muss von einem Erdrutsch gesprochen werden. In Sachsen verlor sie nahezu 16 Prozent der Zweitstimmen, die AfD dagegen gewann über 20 Prozent hinzu und wurde dort, wie erwähnt, mit 27 Prozent wählerstärkste Partei. In Sachsen-Anhalt, wo die CDU-Fraktion jüngst zusammen mit der AfD-Fraktion und auf deren Initiative einer Enquete-Kommission zum Linksextremismus zugestimmt hat, verlor die CDU rund 11 Prozent Stimmen, die AfD gewann über 15 Prozent hinzu. Deutlich zweistellig die Verluste der CDU auch in Baden-Württemberg, einst eines ihrer Stammländer. In diesem Bundesland kam die AfD auf 12,2 Prozent der Stimmen. Ebenfalls zweistellig waren die Verluste der CDU in Thüringen.

Verheerend auch die Verluste der CSU in Bayern. Die de facto Staatspartei verlor über 10 Prozent der Stimmen, während die AfD 8,1 Prozent hinzugewann und dort auf 12,4 Prozent kommt, die CSU auf 38,8 Prozent.

Am stärksten verlor die Union laut infratest dimap mit je über eineinhalb Millionen Stimmen an die Nichtwähler und die FDP sowie mit über einer Million Stimmen an die AfD. Hier wird zu beobachten sein, wie die Unionsparteien auf diese Niederlage reagieren werden, zumal für die CSU nächstes Jahr noch Landtagswahlen anstehen. Der Ausbruch von Fraktionskämpfen ist mit Sicherheit zu erwarten. Das nun die Jamaika – Koalition ausgemachte Sache sein soll, ist daher noch nicht absehbar. Die Grünen repräsentieren das gut betuchte und weltoffene Bildungsbürgertum. Die Unionsparteien werden bei einer Koalition mit ihnen befürchten, dass sie diese den zur AfD abgewanderten Wählern nicht unbedingt näher bringt. Schließlich wissen auch die Parteistrategen der Union, dass in zurückliegenden Wahlen in Europa nicht nur sozialdemokratische Parteien gecrasht worden sind. Und da ihnen Opportunitäten weit näher sind als Überzeugungen, wird also genau zu beobachten sein, wie sich die Unionsparteien in Zukunft ausrichten werden. Sachsen-Anhalt lässt schon mal schlimmes befürchten.
Auch mit der FDP gibt es Schwierigkeiten. Wie Angela Merkel mit der FDP erfolgreich zusammen mit Macron Europapolitik machen soll, wird sie wohl auch selbst noch nicht wirklich wissen.

Für die gesamte deutsche Linke besonders katastrophal ist, dass laut infratest dimap je 21 Prozent der Arbeiter und Arbeitslosen für die AfD gestimmt haben sollen, was gegenüber 2013 einem Plus von 15 Prozent bei den Arbeitern und 18 Prozent bei den Arbeitslosen entspräche. Das ist also einer Partei möglich, die Steuersenkungen für die Vermögenden propagiert, die Reaktivierung der Vermögenssteuer in ihrem Programm kategorisch ausschließt und die Erbschaftssteuer abschaffen will. Ja, der Co-Vorsitzende der Partei Die Linke, Bernd Riexinger, hat recht: Für die sozialen Verhältnisse in diesem Land trägt die Partei Die Linke keinerlei direkte politische Verantwortung. Dennoch ist der Befund eindeutig. Dieses Wahlergebnis der AfD ist auch ein eindeutiges Politikversagen der Partei Die Linke wie der gesamten Linken überhaupt, die es nicht schaffen, die Subalternen dieses Landes in erfolgreiche soziale Kämpfe zu führen.

Das wird besonders an zwei Dingen deutlich. Laut ebenfalls infratest dimap verlor die Partei Die Linke bei den Arbeitern drei Prozent und kommt bei ihnen nur noch auf 10 Prozent. Bei den Arbeitslosen verlor sie gar 12 Prozent und erhält nur noch von 11 Prozent von ihnen Zustimmung. Selbst wenn nur die Richtung dieser Erhebung stimmt, ist das ein Armutszeugnis für die Partei Die Linke.
Das ist aber noch nicht alles. Laut der Forschungsgruppe Wahlen wählten 15 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder die AfD, deutlich mehr also als alle Wähler/innen mit 12,6 Prozent zusammen genommen. Die Partei Die Linke hingegen wurde nur von 12 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder gewählt, drei Prozent weniger als für die AfD stimmten.
Bei den gewerkschaftlich organisierten Arbeiter(inne)n ist das Ergebnis noch verheerender: Bei ihnen votierten 19 Prozent für die AfD, 12 Prozent für die Partei Die Linke. Bei den gewerkschaftlich organisierten Angestellten liegen die beiden Parteien mit je 14 Prozent gleich auf. Das tun sie mit je 22 Prozent auch im Ost-West-Vergleich. Im Westen hingegen votierten laut der Forschungsgruppe Wahlen 14 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für die AfD, 11 Prozent, also drei Prozent weniger, für die Partei Die Linke.
Das ist das Ergebnis einer Gewerkschaftspolitik, die Arm in Arm mit dem Kapital Standortpolitik treibt!

Will noch jemand Wahlparty machen?

Die Basisverhältnisse

Hinter den großen Veränderungen im Wahlverhalten der Staatsbürger/innen, die in nahezu allen fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern zu beobachten sind, stecken gewaltige Veränderungen in den Produktionsverhältnissen der entsprechenden Länder. Das Modell Volkspartei aus der fordistischen Phase des Kapitalismus ist allmählich Schnee von gestern. Dafür sind die gesellschaftlichen Verhältnisse zu antagonistisch geworden.

Die Digitalisierung senkt tendenziell die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit und mit ihr die Profitraten. Überschüssiges, konkurrierendes Kapital ringt verzweifelt um Anlagemöglichkeiten und sucht die Ausbeutung der Lohnabhängigen nach allen Regeln der Kunst immer weiter zu steigern, während gleichzeitig das Heer der Überflüssigen und der Reservearmee zunimmt. Die Konkurrenz um den Verkauf der Arbeitskraft treibt die Lohnabhängigen so gegeneinander, dass Chauvinismus aller Art, Sozialdarwinismus, Rassismus und völkischer Nationalismus wieder fröhliche Urständ feiern. Die Angst vor dem Morgen und die Verzweiflung über das Heute sind so groß, dass die Religion als Opium wieder gebraucht wird und noch der schwachsinnigste Konsum das angesagte Palliativ ist. Wer im Konkurrenzkampf nach unten fällt, tritt nach unten, um selbst nicht noch weiter nach unten zu fallen. Die Linke weiß keine Antwort auf den relativen Niedergang der industriellen Arbeiter(innen)klasse und der neuen Heterogenisierung der Lohnabhängigenklasse. Geht es nicht vorwärts, weint sie, der Sozialismus sei diskreditiert. Ansonsten gönnt man sich in seinen superschlauen Analysen gegenseitig nicht die Butter auf dem Brot, denn man ist ja der einzig Superschlaue. Nachwuchslinke werden schon als Apparatschiks geboren, die ihre Reproduktionsinteressen in Parlamentsreden und Talkshowgequassel sowie im gewerkschaftlichen Verwaltungsapparat zu befriedigen suchen. Die Gewerkschaftsapparate verstehen sich als Sozialpartner des Kapitals und gleichzeitig als Dienstleistungsunternehmen für Arbeitnehmerinteressen. Gedacht, wenn man es so nennen will, wird in Gut und Böse. Pegida sind die Bösen, Antipegida sind die Guten. Dass die antipegidistischen Wohlstandsbürger die Wähler von Parteien wie Grüne und SPD sind, die Hand in Hand mit den anderen transatlantischen Kreuzrittern die Kriege anzetteln und jene Höllen bereiten, aus denen die Menschen dann zu fliehen versuchen, ist der Partei Die Linke kein Protestflugblatt wert. Man will es sich ja nicht verscherzen mit dem Aufstand der Anständigen. Der antrainierte Mangel an Empathievermögen und der ihm klasseneigene Autoritarismus lässt den bildungsbürgerlichen Linken nicht begreifen, dass sein „Eintreten“ für die von ihm so genannten „sozial Schwachen“ schon ein zutiefst autoritärer, demütigender Akt an sich ist. Kein Mensch will Objekt sein, sondern Subjekt seiner eigenen Geschichte. Zu Subjekten ihrer Geschichte werden die Menschen in eigenen, selbstbestimmten sozialen Kämpfen. Um diese erfolgreich führen zu können, müssen sie sich organisieren. Aber ihre einstigen Kampforganisationen sind ihnen schon längst über den Kopf gewachsen. Sie bestimmen nicht länger über sie, sie werden von ihnen bestimmt oder bleiben ihnen gleich fern. Einst Werkzeuge ihrer Befreiung transformierten sie unter wohlmeinendem Gesäusel zu Werkzeugen ihrer Unterdrückung.

Die Konzentrations- und Zentralisierungsprozesse des Kapitals haben gegenüber 1914 und 1939 noch einmal eine neue Qualität angenommen. Ganze Staaten und Staatengruppen auf unserem Planeten stehen sich waffenstarrend gegenüber. Die Periode des Ultraimperialismus scheint ihrem Ende entgegenzugehen und die objektiven Konkurrenzverhältnisse gewaltförmig ausgetragen zu werden. Der Koreakonflikt steht kurz davor, heiß zu werden mit unkalkulierbarem Ausgang, in Syrien sehen wir einen Weltkrieg in Miniaturform und in Osteuropa rückt die NATO auf den russischen Pelz. Der Ausbruch des Dritten Weltkrieges ist längst keine Frage mehr des Ob, sondern nur noch eine Frage des Wann, wenn nicht Einhalt geboten wird.

Der Kapitalismus, das bisher effizienteste und revolutionärste Regime für die Entwicklung der Produktivkräfte in der bisherigen Menschheitsgeschichte, ist sozial und ökologisch blind. In ihm verwandelt sich alle Produktivkraft zugleich in Destruktivkraft. Ungleiche Verträge werden noch den unterentwickelsten Staaten aufgedrückt, mit deren reichen Eliten man sich solange verbündet, wie sie sich als nützlich erweisen. Kommen verantwortliche Menschen an die politische Macht, werden sie niedergemacht. Fliehen die kaputt konkurrierten Massen aus ihren Ländern, lässt man sie in den Wüsten verdursten, im Mittelmeer ersaufen, auf den Agrarfeldern Siziliens oder Andalusiens zu Sklavenbedingungen ausbeuten, als billigstes Arbeitskräftematerial die Löhne dumpen oder als habgierige Wirtschaftsflüchtlinge abschieben.
Wer nicht kaufen kann, stirbt. Über 800 Millionen Menschen auf diesem Planeten leiden an akutem Hunger, verursacht durch Kriege und Ausbeutung, drei Milliarden Menschen fristen mit einem Einkommen von zwei Dollar am Tag ihr Dasein. Dafür tragen die reichen Länder, ihre politischen Klassen und die sie Wählenden die volle politische und moralische Verantwortung. Wer nicht weiß, wie qualvoll langsam der Hungertod ist, kann es in den Büchern Jean Zieglers nachlesen. Und wer sich bei dieser Gesellschaft für Verbrechen, die im Namen des Sozialismus oder des Kommunismus geschahen, zu entschuldigen wünscht, muss Mitglied der Partei Die Linke sein.
Der Gipfel der Heuchelei aber wird dort erklommen, wo durch unsere Schulen Geschwister Scholl – Ausstellungen gejagt werden mit der Frage: „Was hättest du getan?“ Diese Frage ist hinlänglich beantwortet.

Vielleicht ist die Menschheit in ihrem Treiben so verroht, dass sie keinen Ausweg findet. Auch das ist durchaus möglich. Denn von allein wird der Kapitalismus nicht weichen. Ihm stehen immer noch weite Räume für Akkumulationsmöglichkeiten offen. Schon greift er sprichwörtlich nach den Sternen. Mond- und Marsbasen sind im Gespräch und Planung, auf die Rohstoffausbeutung von Asteroiden werden bereits Konzessionen vergeben.
Dennoch gleicht die kapitalistische Produktionsweise Goethes Zauberlehrling, dem die von ihm entfesselten Kräfte unkontrollierbar über den Kopf wachsen. Kriegsgefahr, Massenverelendung und ökologische Überdehnung samt wachsender, planetarer Vergiftung durch nukleare und chemische Abfälle setzen das Leben der Menschheit aufs Spiel.
Gleichzeitig entwickeln sich im Kapitalismus etwa mit den Informationstechnologien Produktivkräfte, die demokratische Wirtschaftsplanung von unten ermöglichen und die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit in einer Qualität mindern, die den Zustand, den Marx einmal das Reich der Freiheit nannte, so ferne und utopistisch gar nicht mehr erscheinen lässt.

Ein „naiver“ Vorschlag

Was also ist zu tun? Es kann angesichts der tatsächlich stattfindenden Umkehrung des Buchenwaldschwures nicht mehr zur „Normalität“ zurückgekehrt werden. Die bestehenden Organisationen der Linken werden so, wie sie jetzt sind, von sich aus den Freund nicht retten. Wie mit ihnen umzugehen ist, wird Gegenstand der nun notwendigen Diskussionen zu sein haben. Nur eines muss uns allen völlig klar sein, nämlich das, was uns Wolfgang Abendroth immer wieder ins Logbuch geschrieben hat: Wenn die Linke die sozialen Kämpfe im Interesse der Lohnabhängigen nicht annimmt, profitiert immer die Rechte mit ihrer rassistischen, völkisch-nationalistischen politischen Ökonomie davon.

Jetzt heißt es also erstmal für uns Alle: Arsch hoch! Wir müssen miteinander reden! Das kann jeder und jede tun, im Freundes- und Bekanntenkreis. Wichtig ist, dass niemand alleine bleibt, aber auch niemandem erlaubt wird, seine/ihre Profilneurosen auszuleben.

Das gilt auch für linke Gesellschaftswissenschaftler und Publizisten. Es reicht nicht aus, kluge Analysen zu erbringen und seien sie noch so gut. Diese auch in konkrete Politik im Interesse der Lohnabhängigen und Arbeitslosen umzusetzen ist die Kunst, die jetzt gefragt ist.

Wir müssen wieder kampagnenfähig werden! Wir wollen bezahlbaren Wohnraum? Dann müssen wir uns organisieren, um Stadtpolitik dazu zu zwingen, gemeinnützigen Wohnungsbau zu treiben. Das können wir hier in Marburg gut sagen, weil unsere Stadt reich ist, viele Kommunen aber finanziell ausgeblutet? Das ist wahr, aber wir haben auch die Möglichkeit, uns über die Städte hinweg zusammenzuschließen, um den entsprechenden Druck auf die Länder und den Bund zu machen.

Wir wollen Frieden? Dann lasst uns anfangen, uns in unseren Städten wieder zusammenzutun und lasst uns etwa der Forderung von über 100 Staaten der Vereinten Nationen anschließen, dass die Atomwaffen dieser Welt verschrottet werden. Und dass der Kompromissvorschlag Chinas in der Koreafrage angenommen wird und eine deutsche Armee nichts an der russischen Grenze bzw. überhaupt im Ausland zu suchen hat. Eine Handvoll Leute reicht aus, um mit den Menschen in ihren Stadtvierteln zusammenzukommen und zu mobilisieren, und dies dann endlich auch wieder über die Städte hinweg. Die Chancen dafür sind gut! Gerade auch die, denen es gut und besser geht, wollen leben, sie haben viel zu verlieren. Das Friedensthema kann also über die Klassen hinweg mobilisieren. Grundsätzlich wird unsere Forderung sein: Kein Geld für Destruktion, sondern für Konstruktion! Das macht die Welt sicherer und nur das!

Um der Verelendung weiter Bevölkerungsteile wirkungsvoll etwas entgegenzusetzen, brauchen wir eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung und um die zu erlangen, entsprechend kampffähige Gewerkschaften? Auch das ist wahr. Wahr ist aber auch, dass sich eine kämpfende Linke, jetzt aber an Niederlagen gewöhnte und resignierte Linke, überhaupt erst einmal wieder rekonstituieren muss. Und das liegt in unser aller Verantwortung und geht allein über konkrete soziale Kämpfe und natürlich Bildung, Bildung, Bildung.

Das Gesagte geht überhaupt nicht im Kapitalismus, es lassen sich dort allenfalls immer nur ungesicherte Teilerfolge erzielen? Vielmehr muss sich die Gesellschaft als Ganzes ihre Produktionsmittel wieder aneignen? Auch das ist wahr. Aber auch dafür werden die konkreten sozialen Kämpfe mit den darin gemachten Erfahrungen der beste Lehrmeister sein.

Es ist richtig. Wir werden ersteinmal kleine Brötchen zu backen haben. Aber ein großer Fluss hat auch viele Quellen. Es mag naiv klingen, aber jeder und jede von uns kann eine solche Quelle sein, wenn wir uns zusammentun und zusammenarbeiten und jede und jeder von uns trägt die Verantwortung, eine solche zu sein.
Die Geschichte ist auf unserer Seite. Denn eine solch perverse soziale Polarisierung wie die gegenwärtige, in der eine Handvoll Reicher soviel besitzt wie die Hälfte der Menschheit, hat immer entschiedene Klassenkämpfe zur Folge gehabt.

Die britische Linke ist schon viel weiter als wir. Übernehmen wir ihren Schlachtruf: Come together! For the many, not the few!

 

Quellen:

http://www.bild.de/politik/inland/christian-lindner/alle-fluechtlinge-muessen-zurueck-53125272.bild.html

https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2017/ergebnisse.html

http://www.dgb.de/themen/++co++1aca2e9e-a209-11e7-99c0-525400e5a74a

https://www.rosalux.de/publikation/id/37851/die-wahl-zum-19-deutschen-bundestag-am-2492017/

http://wahl.tagesschau.de/wahlen/2017-09-24-BT-DE/index.shtml

Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: Memorandum 2017. Statt „Germany first“: Alternativen für ein solidarisches Europa, Köln 2017.

Ein Gedanke zu „Bundestagswahl 2017: Ein Kommentar

  1. Stark!
    Zustimmung.
    Ich hätte mir manchen Ironismus gg. vor allem der LINKEn erspart, aber das ist nicht wichtig.
    Warum sind Deine/Eure Vorschläge am Ende naiv? (und warum die „…“?)
    Es gibt keine Alternativen dazu.

    Solidarische Grüße kommen von
    Johannes

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