Der König ist tot, es lebe der König – Kommentar zum Umgang mit dem Marburger Lokschuppen

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Was wurde es gelobt, das Verfahren um die Privatisierung des Marburger Lokschuppens. Transparent sei es und demokratisch und, wie könnte es auch anders sein in Marburg, mit vorbildlicher Bürgerbeteiligung! Und nun steht man da wie der begossene Pudel.

Kurz vor der eigentlich entscheidenden Abstimmung am 30. Juni im Marburger Stadtparlament folgten zwei Peinlichkeiten dicht aufeinander. Am Wochenende zuvor wurde bekannt, dass die zwei verbliebenen Konzeptkonkurrenten geschäftlich miteinander verflochten sind. Christmann + Pfeifer baut für Schneider den Stammsitz in Fronhausen aus. Als das schon mal bekannt geworden war, schien es kein Halten mehr zu geben. Drei Tage vor der vorgesehenen Abstimmung im Stadtparlament kartellierten die „Konkurrenten“ ganz ungeniert und hochoffiziell zu einer Bietergemeinschaft.

Die bat den Herrn Oberbürgermeister als erstes um Aufschub der Entscheidung über die Vergabe des Lokschuppens. Schließlich muss man ja erst einmal ein Konzept erarbeiten – nachdem man die Konzeptausschreibung mit heute nicht mehr gültigen Konzepten gewonnen und den Mitbewerber „Förderverein Lokschuppen“ hinausgekegelt hat.

Die Anrainer auf dem Waggonhallenareal, auf dem sich auch der Lokschuppen befindet, reiben sich verblüfft die Augen, nicht anders die rund 200 Demonstrierenden gegen Seximus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus. Sie hatten auf Christmann + Pfeifer gesetzt aus Protest gegen den mit Schneider im Boot sitzenden Christus Treff. Doch die Wege des Herrn sind unergründlich und für den Christus Treff soll nun sowohl der Weg über Schneider als auch auch über Christmann + Pfeifer zum schon lange begehrten Lokschuppen führen.

Leidgeprüft erwartet man schon, dass auch dieses Privatisierungsdesaster nicht auf den Gedanken einer kommunalen Nutzung des Lokschuppens bringen wird. Zu erwarten wäre nach dieser Rosstäuscherei aber zumindest gewesen, dass das jetzige Vergabeverfahren für erledigt erklärt wird. Das forderten in der Stadtverordnetenversammlung sowohl Bündnis 90/Die Grünen als auch die Marburger Linken, unterstützt von MBL/FDP. Aber nicht mit Thomas Spies. Der meinte, zu fortgeschrittener Stunde allerdings schon, dass das Vergabeverfahren doch sehr erfolgreich gewesen sei – und das Publikum hörte und staunte. Spies führte in seiner Erklärung an das Stadtparlament aus, dasss schließlich beide Konzepte ganz toll gewesen seien und man dem Christus Treff, Schneider und Christmann + Pfeifer nun Zeit geben solle, ein neues, tolles Konzept zu präsentieren. Das sehen übrigens noch nicht einmal die vorgesehenen Mieter von Christmann + Pfeifer so – sie suchen inzwischen das Weite.

Spies‘ SPD-Fraktion folgte im Parlament wie immer treu und brav ihrem großen Visionär und die Koalitionskollegen von der CDU sowoeso. Letzteres ist verständlich, sie symphatisieren mit Schneider und dem Christus Treff. Mit der Demokratie scheint die Marburger GroKo aber so ihre Probleme zu haben. Nur einer durfte in der Stadtverordnetenversammlung zum Thema reden, wenig überraschend war das Thomas Spies.  Der Antrag der Oppositionsparteien auf Aussprache wurde abgeschmettert. Nicht einmal eine 5-Minuten-Erklärung jeder Fraktion wurde gestattet. Für die Marburger Öffentlichkeit wäre das aber sicher sehr interessant gewesen.

Groß das Auftreten der Marburger Grünen Angela Dorn. Als Spies barmte, man müsse dringend über Toleranz gegenüber der religiösen Vielfalt in der Stadt reden, erklärte sie klipp und klar, sie sei entschieden intolerant gegenüber Homophobie. Das saß!

Spätestens jetzt ist die Affäre um den Marburger Lokschuppen eine Provinzposse mit Skandalcharakter. Man darf gespannt sein, wie weit die SPD-Fraktion ihrem Vorturner darin noch folgen wird.

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